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Gebäudetyp E: Chancen und Herausforderungen für die Elektroinstallation

03.12.2024 | Bauen

Die Einführung des „Gebäudetyp E“ zielt darauf ab, den Wohnungsbau in Deutschland zu beschleunigen und kostengünstiger zu gestalten. Dabei sollen Bauprozesse flexibler werden, indem von bestimmten technischen Normen abgewichen werden kann, ohne die Sicherheit zu beeinträchtigen. Insbesondere im Bereich der Elektroinstallation wirft dieser Ansatz jedoch Fragen auf.

Zielsetzung des Gebäudetyp E

Der Gebäudetyp E wurde vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sowie vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) entwickelt. Die dazugehörige „Leitlinie und Prozessempfehlung“ soll es Bauunternehmen ermöglichen, ohne ausdrückliche Vereinbarung von bestimmten technischen Normen und Regeln in Bauverträgen abzuweichen. Zudem gestattet das Gebäudetyp-E-Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen fachkundigen Unternehmern, die anerkannten Regeln der Technik (aRdT) zu vereinfachen.

Kritikpunkte an der Leitlinie

Trotz fachlicher Hinweise enthält die veröffentlichte Leitlinie zur Elektroinstallation ungenaue Angaben. So wird beispielsweise behauptet, dass eine Dreizimmer-Wohnung mit 75 Quadratmetern laut DIN-Norm mindestens 47 Steckdosen aufweisen müsse. Diese Zahl ist jedoch nicht verpflichtend, sondern stellt lediglich eine Empfehlung dar. Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) betont, dass die zitierte Norm nicht bindend ist, was auch durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 2023 (5 U 227/21) bestätigt wurde.

Auswirkungen auf die Kosten

Es wird argumentiert, dass eine Reduzierung der Steckdosenanzahl in einer Dreizimmer-Wohnung auf 24 die Baukosten signifikant senken könnte. Der ZVEH schätzt jedoch, dass die Einsparungen lediglich im mittleren dreistelligen Bereich liegen würden. Zudem könnte eine geringere Anzahl an Steckdosen den Wohnkomfort mindern und bei späteren Nachrüstungen zu höheren Kosten führen. Erfahrungen zeigen, dass ein Mangel an Steckdosen oft zur Nutzung von Mehrfachsteckdosen führt, was das Brandrisiko erhöht.

Bedeutung der Normen für die Sicherheit

Die Annahme, dass die in den Normen festgelegten Anforderungen nicht bindend und somit verzichtbar seien, wird vom ZVEH als problematisch angesehen. Diese Normen wurden speziell zur Gewährleistung der Sicherheit entwickelt. Angesichts der zunehmenden Anzahl von Elektrogeräten in Haushalten und der dezentralen Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen ist die Einhaltung dieser Normen von zentraler Bedeutung. Zwar sollten freiwillige technische Lösungen bestehen, die von Elektrohandwerkern angeboten werden können, doch muss klar erkennbar sein, welche Normen optional sind und welche nicht.

Forderungen nach Nachbesserungen

Die Bauwirtschaft begrüßt grundsätzlich die Einführung des Gebäudetyp E als sinnvollen Impuls. Es wird jedoch kritisiert, dass klare Regelungen zur Belebung der Baukonjunktur und zur Senkung der Kosten fehlen. Ohne solche Regelungen drohen Rechtsunsicherheit und steigende Haftungsrisiken. Es wird daher gefordert, dass Bund und Länder in ihren Landesbauordnungen festlegen, welche Mindeststandards gelten sollen, von denen nicht abgewichen werden darf.

Ausblick

Die Einführung des Gebäudetyp E bietet Potenzial, den Wohnungsbau in Deutschland zu beschleunigen und kostengünstiger zu gestalten. Es ist jedoch essenziell, dass dabei die Sicherheit und der Komfort der Bewohner nicht beeinträchtigt werden. Eine klare Abgrenzung zwischen verbindlichen Sicherheitsstandards und optionalen Komfortmerkmalen ist notwendig, um sowohl Bauunternehmen als auch Bewohnern Planungssicherheit zu bieten. Zudem sollten die Auswirkungen auf die Elektroinstallation sorgfältig geprüft werden, um langfristige Nachteile zu vermeiden.

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